ONE HAND CAN NOT BIND A BUNDLE
Von:Ingo
An: CCCameroon
10. 1. 2001
Schoen langsam ist meine Frustartionstolrenanzschwelle ueberschritten.
Heute morgen standen - oh Wunder - zwei Camtel Beamte in der Tuer und
legten binnen 15 Minuten die Leitung, die im Dezember 1998 beantragt
worden war. Misstrauisch, wie ich inzwischen bin, hab ich sie erst gehen
lassen, als ich den Waehlton selber hoeren konnte. Dieses Misstrauen
war eindeutig zu wenig. Jetzt am Nachmittag, nachdem wir nach langem
hin- und herprobieren die richtigen Kabel haben, um das Modem anzuschliessen,
wir den Computer von Allied zurueck ins ACTWID Office transportiert
haben, stellt sich heraus, dass der Anschluss ein nur lokaler ist, wir
also nicht Bafousam, wo der Provider ist telefonieren koennen. Und jetzt
sind es nicht einmal mehr 7 Tage bis zur Abfahrt - ich bin ziemlich
ratlos.
In meinem ganzen bisherigen Leben hab' ich kein Projekt erlebt, dass
sowohl in der Vorbereitung als dann auch in der Durchfuehrung so viele
Pannen zu ueberstehen hatte. Die Berichte sind trotz ihrer Laenge nicht
komplett und erzaehlen nur von denen, die mir interessant bzw. originell
erschienen.
Dass es trotzdem letztendlich geklappt hat, ist meiner Meinung nach
auf mehrere Faktoren zurueck zu fuehren: Zum einen waren die Vorbereitungen
in Wien sehr gut gemacht worden, vor allem die sehr unbeliebte aber
Sorgfalt erfordernde Arbeit des Verpackens, war mustergueltig erledigt
worden, somit war alles Equipment vollstaendig angekommen. Gleiches
gilt fuer die Vorbereitung der ROCK Linux Postoffice Software, die klaglosest
funktioniert hat. Die mitunter sehr muehsamme Kommunikation nicht nur
aber auch mit den Kamerunesinnen lag waehrend der vielen Monate in den
wohl besten Haenden, die man sich dafuer vorstellen kann.
Fuer mich am unmittelbarsten war natuerlich die Faehigkeit der ACTWID
organisiert zusammen zu arbeiten und das Gemeinwohl ueber den persoenlichen
Vorteil zu stellen. Es war sicherlich alles andere als leicht, die vielfachen
Wuensche von ACTWID Mitgliedern und Sympatisanten unter einen Hut zu
bringen, wenn man den enormen Wert dieser Ausbildung bedenkt. (Der finanzielle
Wert alleine der EDV-Trainings, ohne die Hardware, kann mit mindestens
3000 ATS per Teilnehmenden und Tag veranschlagt werden. Bei 800 ATS
Monatseinkommen ist das sehr, sehr viel Geld.) Trotzdem sind wann immer
es notwendig wurde, Leute freiwillig zurueckgetreten und haben denen
Platz gemacht, die besser in der Lage sind, schnell so viel wie moeglich
an Wissen und Koennen aufzusaugen, im Vertrauen darauf, dass sie bei
den Folgetrainings dann profitieren werden. Die Kommunikation darueber
und ueber andere schwierige Themen sowohl mit Wendi als auch mit anderen
ACTWID-Leuten war von einer fantastischen Leichtigkeit und Klarheit.
Haette es hier auch nur die leistesten Misstoene gegeben, ich haette
wohl die Nerven weggeschmissen, und alles waere den Bach hinunter gegangen.
Alleine dieses Erlebnis von Solidaritaet und Gemeinsinn, war die ganzen
Anstrengungen wert.
Dass es solche Menschen und noch viel mehr eine solche Organisation
gibt, hat mich wirklich ueberrascht. In Oesterreich, wie in vielen anderen
"reichen" Laendern, wuerde solches Tun sofortigst mit Vereinsmeierei
abgetan. Eine Kultur, die solches hervorbringt, koennte mit Recht stolz
auf sich sein. Ich befuerchte jedoch, dass sie selbst es als nichts
Aussergewoehnliches erachtet, da ihr kein finanzieller Wert entspricht.
Das ist schade, denn je laenger ich dort war um so weniger sicher war
ich mir, wer nun die armen Schweine sind: Die unter, fuer mich aussergewoehnlichen
materiellen Einschraenkungen lebenden Kamerunesen oder meine Landsleute,
die in einer truegerischen "Unabhaengigkeit" und "Sicherheit"
an Wesentlichem vorbei leben.
Dass 'reich' bei Laender im obigen Absatz ist uebrigends *nicht* aus
Gruenden der politischen Korrektheit, weil man dies halt so macht, um
nur ja keine Ueberlegenheit zu demonstrieren, sondern wegen etwas anderem
in Gaensefuesschen gesperrt worden: Ich denke, dass reich fuer z.B.
Österreich nur stimmt, wenn man sehr einseitig die materiellen
Werte kalkuliert. Eine Rechenfehler, der sehr gerne gemacht wird, und
der sich sich z.B. dann zeigt, wenn Mitglieder der eigenen Kultur per
se nicht verstehen koennen, wieso man sich in einem solchen Projekt
in dieser Weise engagiert. In ihrer Hilflosigkeit mich aus dem Blickkwinkel
der eigenen und an so manchem verarmten Kultur zu verstehen, versteigen
sich Leute irgendwo zwischen Verdaechtigungen, dass ich schon hinten
herum Geld bezahlt bekomme, Unsterblichkeitsueberlegungen, einem auf
katholischer Praegung beruhendem Schuldkomplex gegenueber den armen
Negerleins oder Heiligsprechungen. Keines davon trifft zu. Ich selber
sehe meinen Teil in diesem Projekt weder als Kompensation fuer die Untaten
des boesen Kapitalismus und auch nicht als selbstloses Engagement. Im
Gegenteil es hat sich fuer mich voll ausgezahlt, ohne dass ich auch
nur einen Schilling dafuer kassieren musste.
Somit vielen, vielen Dank an alle die mitgeholfen haben, nicht zu vergessen
jene, die die materiellen Voraussetzungen organisiert und beschafft
haben.
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